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Māyā & Das Stück vom Bettler

  • Autorenbild: monika
    monika
  • 25. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Mai, das bewegte Zentrum inmitten der Dualität, das seine Balance zu erreichen versucht. Der Weg dorthin ist ein Auspendeln. Von der einen Seite. Zur anderen Seite. Links. Rechts. Links. Rechts. Ein Spannungsfeld an Bewegungen; - wie beim Roulette. ‚Wo wird sie nun gleich wirklich liegen bleiben die Kugel?‘ wissend, dass wir keinen Einfluss auf diesen endgültigen Kugellauf am Spielbrett haben. (Und trotzdem die Freiheit besitzen, auf eine Zahl zu setzen ;))

 

Kleiner philosophischer Exkurs – für alle, die es lieber knackiger haben wollen, gerne zum angewandten Beispiel für Praktiker weitergehen; und sonst gerne kurz mal ein paar Infos zur kaschmirischen shivaistischen Tantra-Tradition (auch Trika oder nondualer Shaivismus von Kaschmir) wie frisches, sommerliches Eis auf der geistig-dürstenden Zunge zergehen lassen.




In der Trika Tantra-Tradition gibt es Māyā; eine Kraft, die ich gerne kurz näher beleuchten möchte, denn - aus reiner Freude heraus manifestiert diese die Welt. Ich wiederhole: Eine Kraft, die aus reiner Freude heraus die Welt manifestiert!

Māyā ist also eine Kraft, die Vielfalt und Begrenzung entstehen lässt (und hier sind wir beim Mai und dem Pendel der bewegten Spannung): Bewusstsein ist in sich selbst vollständig grenzenlos und frei. Erst unsere schöpferische Kraft (śakti; unser Tun und Wirken) bringt eine Welt hervor, die aus Unterschieden, Formen, Subjekten, Objekten und vielem mehr besteht. Māyā ist demnach eine Ausdrucksform der Bewusstheit!

 

Die Welt wird also aus Freude an der Selbsterfahrung erschaffen! Es ist ein Spiel, auf das sich das Bewusstsein einlässt, sich selbst in Formen und Begrenzungen zu erfahren; wie ein Schauspieler, der freiwillig (zeitlich & räumlich) begrenzte Rollen spielt. Das Bewusstsein selbst zieht dann den Vorhang zu, um das Drama der Schöpfung zu spielen. Der Freude und Erfahrung wegen. Und am Ende all das, um sich schließlich selbst wieder zu erkennen, und zwar als das unbegrenzte Bewusstsein, dass es eigentlich hinter der Bühne ist.



Die spirituelle Tiefe dieser Lehre in einer Nussschale

 

Bewusstsein ‚vergisst‘ sich selbst in der Vielfalt der Welt, der Maya. Es wird zum Schauspieler: ‚Ich bin dieser Körper‘, ‚Ich bin getrennt‘, ‚Ich bin dieses und jenes; und das nicht.‘, ‚Ich habe ein Problem!', Das Leben ist so tragisch!'.  Doch diese Selbstbegrenzungen sind letztlich alle nur vorübergehend, Bewusstsein erkennt sich im Menschsein selbst erst als Bewusstsein wieder. Dies ist: pratyabhijñā: Befreiung durch die spontane Wiedererkennung des eigenen Selbst als identisch mit dem höchsten Bewusstsein.




Ein angewandtes Beispiel für Praktiker

 

Ein Schauspieler betritt die Bühne und spielt eine Rolle. Sagen wir, gerade spielt er die des armen, blinden Bettlers. Während des Stücks vergisst er scheinbar, dass er ein wohlhabender und bekannter Schauspieler ist; er leidet, er bettelt, er fühlt sich arm und deprimiert. Das Publikum leidet mit. - Innerlich aber weiß der Schauspieler, dass er nicht wirklich begrenzt ist; nicht wirklich arm und bettelnd, sondern dass er dies nur spielt.

 

Auch unser tagtägliches Spiel besteht sowohl aus dem Schauspieler als auch aus der Rolle. Erkennen wir uns im Spiel wieder als dieses eine Bewusstsein, das aus Freude an der Erfahrung spielt?

 

Und ganz ehrlich, nur so unter uns Schauspielern:

Wie oft sind wir uns in unseren Momenten, Zuständen, unseren täglichen Rollen und Auftritten bewusst? Wie sehr verlieren wir uns im Spiel der Dramen, der vermeintlichen Sicherheit, der vertrauten Routine, der negierten Endlichkeit? Wie sehr sind wir uns dessen bewusst, was wir eigentlich gerade erfahren, spielen; uns als Form und begrenztes Subjekt erfahren?

 

Und um nun das Pendel in die Mitte des Mais zurückzubringen:

Hab diese grundlose und unerklärliche Freude an deinen vielfältigen Ausdrucksformen und wisse, dass das ‚Mensch ärgere dich nicht‘-Spiel irgendwann ein Ende hat. Danach können wir zurückschaun und feststellen, dass a. wir das Spiel viel zu ernst genommen und uns vielleicht in der Rolle des Beleidigten, des Gewinners, des Glückskindes etc. verloren haben; oder b. dass wir unabhängig vom Ergebnis Spaß und Freude am Spiel hatten; dass es ein gutes Spiel war, das uns mit einem Lachen wieder weiterziehen lässt.



Mai-Empfehlungen (und gerne darüber hinaus)

 

Für die, die gerne das Leben zu ernst nehmen, zu tief mitten in den Dramen und Themen des Spiels und der Schöpfung drinnen sind und/oder hängen; für alle, die den Zuschauerraum schon länger nicht mehr verlassen haben -> pratyabhijñā: Erkenne dich wieder als das Selbst das du bist; als das Bewusstsein, das für diese paar Erden-Jährchen eine Rolle spielt. Schau dir einfach mal zu, was du so machst; so sagst, so tust. Wie gehst du mit dir selbst um? Wie mit anderen Menschen? Ist das kongruent, oder welche Rollen nimmst du hier an? Bist du dir dieser bewusst? Beobachte gerne mal einen ganzen Tag lang deine ‚Rollen‘ und dann evaluiere, wie sehr du diese selbst gewählt hast, wie sehr du dir dieser bewusst bist, und wie sehr du diese eigentlich magst für deine Auftritte.

 

Und für die, die gerne auf der ‚dem Weltlichen erhabeneren‘ Seite stehen und das Leben oft als zu distanziert empfinden, empfehle ich zu Ende diesen Mai-Monats, sich bewusst mal wieder für eine Rolle zu entscheiden und Erfahrungen zu sammeln; und damit letztlich wieder sich selbst als Mensch zu erfahren. Bühne betreten, loslegen und mitmachen. Stand up Commedy im ‚Mensch-ärgere-dich-nicht‘-Format. Rausgehen und dabei sein. Ja sagen zu den Themen und Dramen des Lebens.

 

Und gerade im Mai waren wir nun eingeladen, genau diese Balance zu finden – zwischen ‚drinnen sein‘ und ‚draußen sein‘; sich des Spiels bewusst zu sein und werden und dennoch bestmöglich freudvoll mitzuspielen. Als genau jener Mensch, der wir halt heute gerade sind. Möge die Kugel am Roulette friedvoll seinen Platz für diese Runde gefunden haben.

 

Wake up! Du bist der Schauspieler und die Rolle zugleich.




Und ich so schließe mit einem Zitat aus der Karika:

 

„na hi nāma vastuto māyābhedo’sti,

kiṃ tu jñānavyavadhānena tatprathā bhavet.“

(Īśvarapratyabhijñā Kārikā, I.5.19)

 

„Es gibt in Wirklichkeit keinen Unterschied,

der durch Māyā [Anm.: die Welt] geschaffen wäre;

vielmehr entsteht dieser Eindruck nur durch die Begrenzung der Erkenntnis.“





In diesem Sinne:

 

Ein gutes Spiel mit freudvoll-erhellenden Rollen,

sowie Zuschauer, die einerseits ganz mit deinem Schauspiel mitgehen,

und andererseits das Theater beizeiten auch wieder verlassen,

um selbst mal wieder in eine Rolle zu gehen.

 

Das wünsche ich euch heute, das wünschen wir euch generell,

und das wünschen wir uns als Akademie für Glückseligkeit für die Menschheit,

die Schöpfung, und allem darüber hinaus.



Alles Liebe,

Monika

ANANDA Glückseligkeits-Akademie

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